Gewerbesteuerrückgang ab 2027 zwingt zum Handeln
Die Stadt Neckarsulm steht vor einer großen finanziellen Herausforderung: Von 2027 an ist mit einem drastischen und dauerhaften Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen zu rechnen. Wegen struktureller Veränderungen bei den Haupt-Gewerbesteuerzahlern werden sich die Gewerbesteuereinnahmen mittelfristig auf einem niedrigeren Niveau von etwa 54 Millionen Euro einpendeln. Damit wird sich das Gewerbesteueraufkommen 2027 im Vergleich zum laufenden Haushaltsjahr nahezu halbieren.
Diese dramatische Entwicklung zwingt die Stadt jetzt zum Handeln. Der Prozess der Haushaltskonsolidierung, der mit dem Einsetzen der städtischen Haushaltskommission Anfang dieses Jahres eingeleitet wurde, wird forciert. „Wir müssen konsequent sparen. Alles wird auf den Prüfstand gestellt,“ gibt Oberbürgermeister Steffen Hertwig den Kurs vor.
In diesem Jahr erwartet die Stadt noch einmal überdurchschnittlich hohe Gewerbesteuereinnahmen von 101,8 Millionen Euro (Plan 2025: 76,8 Millionen Euro). Der Planansatz für das Haushaltsjahr 2026 liegt bei 71,6 Millionen Euro. Mit unerwarteten Gewerbesteuernachzahlungen ist im kommenden Jahr nicht mehr zu rechnen. Im Gegenteil: Die finanziellen Rahmenbedingungen der Stadt werden sich mittelfristig deutlich und dauerhaft verschlechtern. Bereits jetzt kann die Stadt den laufenden Betrieb nicht durch Einnahmen finanzieren, sondern muss auf die Ergebnisrücklage zurückgreifen, um den Ergebnishaushalt auszugleichen.
Gemeinderat vereinbart erste Einsparmaßnahmen
Vor diesem Hintergrund hat sich der Gemeinderat in einer Strategie- und Finanzklausurtagung mit der Haushaltslage befasst, Einspar- und Verbesserungsvorschläge der Verwaltung diskutiert und sich auf erste Maßnahmen verständigt. Über die Einsparvorschläge im Einzelnen wird der Gemeinderat in den kommenden Monaten beraten und entscheiden. Als Entscheidungsgrundlage dienen dabei die Vereinbarungen, die der Gemeinderat in der Klausurtragung getroffen hat.
Als Sofortmaßnahme hat auch die Haushaltskommission, die unter dem Vorsitz von OB Hertwig tagt und sich aus Vertretern des Gemeinderates und der Verwaltung zusammensetzt, ein klares Einsparziel vorgegeben.
Insgesamt wurden folgende Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung festgelegt:
- Reduzierung der Mittelanmeldungen für das Haushaltsjahr 2026: In einem ersten Schritt wurden die Ansätze für die Sach- und Dienstleistungen im Ergebnishaushalt 2026 um insgesamt 15 Prozent reduziert. Diese Vorgabe der Haushaltskommission gilt für die Gesamtverwaltung über alle Bereiche hinweg und kann für das kommende Haushaltsjahr erreicht werden.
Die Investitionen im Finanzhaushalt werden für 2026 auf 20 Millionen Euro gedeckelt. - Wiederbesetzungssperre: Bei der Klausurtagung legte der Gemeinderat fünf weitere Maßnahmen fest, darunter eine viermonatige Wiederbesetzungssperre. Sie gilt für alle Personalstellen bis Ende 2026. Jede freiwerdende Stelle wird daraufhin überprüft, ob die entsprechenden Aufgaben auf andere Stellen verteilt, reduziert oder ganz gestrichen werden können.
Darüber hinaus besteht im Kita-Bereich seit Juli 2025 ein Einstellungsstopp. Hintergrund ist eine erfreuliche Entwicklung: Aktuell sind alle pädagogischen Planstellen besetzt. - Aufgabenkritik: Alle bisherigen Aufgaben werden konsequent und kritisch hinterfragt. So sollen in allen Bereichen kurz-, mittel- und langfristige Einsparungen erzielt werden. Auch die Pflichtaufgaben kommen auf dem Prüfstand. Hier wird geprüft, inwieweit die Standards der Aufgabenerfüllung und der städtischen Serviceleistungen reduziert werden können.
- Prozessoptimierung: Die vorhandenen Prozesse sollen verschlankt, optimiert und effizienter gestaltet werden, um auch auf diese Weise Kosten zu sparen. Hierzu will die Stadt konsequenter auf Automatisierung und Digitalisierung Ein Innovationsbudget, das bis 2029 eingeführt wird, soll die Investitionen in die Zukunft des Verwaltungsbetriebes absichern.
- Einnahmensteigerung: Die Stadt sucht gezielt nach Möglichkeiten, die Einnahmen zu steigern. Hierzu gehören auch die regelmäßige Überprüfung und Anpassung von Steuern, Gebühren und Entgelten.
- Appell an Bund und Land: Die Stadt setzt sich für faire und wirtschaftlich tragfähige Finanzstrukturen zwischen Bund, Land und Kommunen „Ein Grund für die schwierige finanzielle Situation in nahezu allen bundesdeutschen Städten und Gemeinden ist die Praxis, dass Bund und Land immer mehr Aufgaben an die Kommunen übertragen“, kritisiert OB Steffen Hertwig. „Ich fordere Bund und Land auf, die Kommunen von überbordender Bürokratie und ständig neuen Aufgaben zu entlasten und sie finanziell besser auszustatten.“
Angesichts des sich abzeichnenden Rückgangs der Gewerbesteuer hatte OB Hertwig bereits im Herbst gefordert, dass sich die Stadt „absehbar auf das Leistbare“ beschränkt. Künftig wird die Stadt ihre Investitionen deckeln und noch stärker auf die vier zentralen kommunalen Handlungsfelder konzentrieren: Bildung, Klimaschutz und Mobilität, Digitalisierung und Infrastruktur.
OB Steffen Hertwig: „Wir werden moderner, schneller und effizienter“
„Auch vor dem Hintergrund schrumpfender Finanzmittel werden wir weiter gemeinsam für die positive Entwicklung unserer Stadt arbeiten und die Vision einer grünen und liebenswerten Stadt im Blick behalten“, versichert Steffen Hertwig. „Wir werden Prozesse verschlanken, Doppelstrukturen beseitigen und uns auch von Aufgaben trennen. Kurzum: Wir werden moderner, schneller, digitaler und am Ende auch effizienter. Insofern können wir die aktuelle Krise auch als Chance nutzen.“ (snp)
