Kommunale Wärmeplanung legt erste Startermaßnahmen fest

Wärmebild eines Wohnhauses
Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung wird auch eine Wärmelandkarte für das Stadtgebiet erstellt. (Foto: Adobe Stock)

Die Stadt Neckarsulm steht vor einer neuen kommunalen Pflichtaufgabe und einer riesengroßen Herausforderung: Bis spätestens 2040 muss Neckarsulm das Ziel der klimaneutralen Wärmeversorgung erreicht haben. Das heißt, bis dahin müssen die fossilen Brennstoffe Öl und Gas komplett durch erneuerbare Energien ersetzt sein. Dies fordert das Land im neuen Klimaschutz- und Klimaanpassungsgesetz von allen kreisfreien und Großen Kreisstädten in Baden-Württemberg. Mit dem Feststellungsbeschluss hat der Gemeinderat die Verwaltung beauftragt, die Wärmewendestrategie auf Grundlage des kommunalen Wärmeplans umzusetzen und die weiteren Maßnahmen zu planen.

Die kommunale Wärmeplanung ist ein strategisches Planungsinstrument, das das Ziel der klimaneutralen Wärmeversorgung vorgibt, den Weg dorthin aber den Kommunen überlässt. „Damit ist es jetzt Aufgabe der Stadt Neckarsulm, ein geeignetes Maßnahmenkonzept zu erarbeiten, um das geforderte Ziel zu erreichen. Klimaneutralität gibt es nicht von der Stange. Jede Kommune muss selbst konkrete Maßnahmen festlegen, die am besten zu den lokalen Gegebenheiten passen“, erläutert Bürgermeisterin Dr. Suzanne Mösel. „Wenn man bedenkt, dass der Aufbau der Gasversorgung in Neckarsulm mehr als 90 Jahre gedauert hat, ist die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung in nur 16 Jahren eine gewaltige Aufgabe. Zentrale Akteure bei der Umsetzung sind unsere Stadtwerke im Wärmenetz und die Regionalwerke Neckar-Kocher im Gasnetz.“       

Auch Einwohnerschaft ist zur Mithilfe aufgerufen

Die Stadtwerke Neckarsulm sind zwar einer der Hauptakteure beim Transformationsprozess. Aber um die Wärmewende zu erreichen, ist die Stadt auch auf die Mithilfe der Einwohnerinnen und Einwohnern angewiesen, vor allem wenn es um die energetische Sanierung von Wohngebäuden und den Ersatz alter Heizungen geht. Dementsprechend beinhalten die ersten Startermaßnahmen neben dem Aus- und Neubau von Wärmenetzen auch Anreize für Privateigentümer, ihre Gebäude energetisch zu sanieren. Ziel ist es, die Sanierungsquote im Gebäudebestand auf zwei bis fünf Prozent pro Jahr zu steigern.  

Folgende sechs Startermaßnahmen sind in den kommenden fünf Jahren geplant. Teilweise wurde bereits mit der Arbeit an erforderlichen Machbarkeitsstudien begonnen.

  • Klimaquartier Viktorshöhe mit Hermann-Greiner-Realschule (M1): Der Heizkessel der Hermann-Greiner-Realschule ist dringend reparaturbedürftig. Geplant ist, die Realschule künftig rein mit erneuerbaren Energien zu versorgen und das umliegende Quartier in das erweiterte Wärmenetz zu integrieren. Im Quartier Viktorshöhe plant ein Bauträger, zahlreiche neue Gebäude als Ersatz für abgebrochene Altbauten zu errichten. Zur Energieerzeugung könnte ein Verbundsystem auf der Basis von Geothermie mit Erdsonden und Erdkollektoren in Frage kommen.
  • Transformation Wärmeerzeugung Biomasse-Heizkraftwerk (M2): Im Biomasse-Heizkraftwerk der Stadtwerke im Gewerbegebiet Trendpark Süd werden Holzhackschnitzel verbrannt, um Wärmeenergie CO2-neutral zu erzeugen. Für Spitzenlasten wird ein Gas-Zusatzkessel eingesetzt. Der Gasanteil soll komplett durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Um diese Transformation zu ermöglichen, hat der Gemeinderat vor kurzem die Sanierung des Thermoöl-Erhitzers im Biomasse-Heizkraftwerk und weitere Zusatzleistungen beschlossen. Das Biomasse-Heizkraftwerk ist derzeit die mit Abstand wichtigste Anlage zur Wärmeerzeugung in Neckarsulm und nimmt in der kommunalen Wärmeplanung eine zentrale Funktion ein.
  • Erweiterung Wärmenetz Binswanger Straße zur Kernstadt (M3): Da das geschlossene AQUAtoll Erlebnisbad nicht mehr vom Biomasse-Heizkraftwerk versorgt werden muss, können freie Versorgungskapazitäten genutzt werden. Durch einen Ringschluss des Wärmenetzes von der Binswanger Straße zur Kernstadt könnte das freie Wärmekontingent in die Innenstadt geleitet werden. Damit könnte den Gebäudeeigentümern eine Alternative zu Öl und Gas angeboten werden.
  • Climap – Visuelle Sensibilisierung zur Gebäudesanierung (M4): Mit dieser Startermaßnahme hat die Stadt bereits begonnen. Derzeit erstellt das Energieunternehmen MVV Energie AG aus Mannheim als Kooperationspartner eine Wärmelandkarte des Stadtgebiets. Hierzu setzt die MVV ein Spezialflugzeug und ein Fahrzeug mit Thermografie-Kamera ein. Anhand der online verfügbaren Wärmebilder können sich Eigentümer über den energetischen Zustand ihres Gebäudes informieren und ab März 2024 einen individuellen Energiebericht bestellen (www.climap.de).
  • Anreizbildung energetische Gebäudesanierung (M5): Um die Sanierungsquote im Gebäudebestand zu steigern, plant die Stadt ein Förderprogramm für Gebäudeeigentümer. Ab bestimmten Einkommensgrenzen könnten Eigentümer städtische Fördermittel beantragen, um ihr Gebäude energetisch zu sanieren. Über ein solches Förderprogramm und die Fördermodalitäten muss der Gemeinderat entscheiden.
  • Machbarkeitsstudie Kaltes Wärmenetz Neubaugebiet Kastenäcker Dahenfeld (M6): Die Stadt will das Neubaugebiet Kastenäcker in Dahenfeld sowie Gebäude im Ortskern, die derzeit noch mit Öl und Gas beheizt werden, mit klimaneutraler Wärmeenergie versorgen. Eine Machbarkeitsstudie soll aufzeigen, ob zu diesem Zweck ein Erdkollektorfeld in Verbindung mit einem kalten Wärmenetz als Energiequelle geschaffen werden kann.

Um diese ersten Maßnahmen aus dem Endbericht zur kommunalen Wärmeplanung umzusetzen, müssen die Stadt und die Stadtwerke in den kommenden Jahren rund 104 Millionen Euro investieren. „Das ist aus eigenen Mitteln finanziell nicht leistbar“, betont Dr. Suzanne Mösel. „Für die Umsetzung der Maßnahmen und damit der Energiewende sind wir auf finanzielle Mittel von Bund und Land angewiesen.“ (snp)