„Warming Stripes“ nach Ed Hawkins für Baden-Württemberg (Datenquelle: DWD)

Die Stadt Neckarsulm ist in zunehmendem Maße von den Folgen des Klimawandels betroffen. Die immer höheren Temperaturen und vermehrten Hitzeperioden sind für die Bevölkerung deutlich spürbar. Mit der Erstellung eines so genannten „Klimafolgenanpassungskonzepts“ geht die Stadt den Umgang mit der steigenden Hitzebelastung an.

In diesem Zuge wird ein fundierter Anwendungskatalog erstellt, der sowohl gesamtstädtisch-strategische als auch räumliche Handlungsempfehlungen umfasst und konkrete Maßnahmen beschreibt, wie die Stadt auch unter der Klimakrise weiterhin lebenswert bleibt.

Ziel ist es, klimawirksame durchgrünte Stadt- und Straßenräume, klimaeffizient gestaltete Bauprojekte und vernetzte, gut nutzbare Freiräume, die die Lebensqualität der Einwohnerinnen und Einwohner Neckarsulms langfristig sichern können, umzusetzen. Das Konzept wird dabei in zwei Stufen erarbeitet.

Stufe 1 widmet sich der Analyse der aktuellen Situation in Neckarsulm.

Das Büro iMA Richter & Röckle konnte im Jahr 2022 bereits eine Stadtklimaanalyse für Neckarsulm durchführen. Die Studie liefert u.a. Erkenntnisse darüber, wo es in Neckarsulm besonders heiß wird, und ist eine wichtige Grundlage für das Klimafolgenanpassungskonzept. Kombiniert werden diese Informationen mit der Stadt- und Bevölkerungsstruktur, sowie der Freiraumversorgung. So kann z.B. herausgefunden werden, wo sich durch eine Überschneidung von besonders hoher Hitzebelastung und dem Aufenthalt stark hitzegefährdeter Bevölkerungsgruppen (z.B. Kinder oder Senioren) ein besonderer Handlungsbedarf ergibt. Ein Blick auf die Grün- und Freiräume in Neckarsulm zeigt, wo die Neckarsulmer an heißen Tagen kühlende Entlastung finden können, und wo solche Freiräume vielleicht erst noch geschaffen oder aufgewertet werden müssen. Die vorhandenen Freiräumqualitäten und Freiraumpotenziale werden im Rahmen des parallel zum Klimafolgenanpassungskonzept beauftragten Grün- und Freiraumkonzept vertieft untersucht.

In Stufe 2 werden Handlungsfelder definiert und gesamtstädtische, strategische und lokale Maßnahmen formuliert.

Das konkrete Klimafolgenanpassungskonzept entsteht. Eine strategische Maßnahme kann zum Beispiel die Sicherung und Stärkung des Kaltluftsystems sein. Sogenannte kaltluftrelevante Freiflächen, z.B. stadtnahe Wälder, produzieren besonders nachts Frischluft, die dann über Leitbahnen ihren Weg in die Stadt bahnt und somit für einen wichtigen Luftaustausch sorgt. Dieses ist von gro­ßer Bedeutung für das Stadtklima, denn nur durch dieses System kann eine Luftzir­kulation in der Stadt gewährleistet werden. Eine konkrete lokale Maßnahme kann die Begrünung von Dächern oder Fassaden sein. Grünstrukturen verdunsten bei Sonneneinstrahlung Wasser und kühlen damit ihre Umgebung an heißen Tagen merklich ab.

Alle Maßnahmen für die Stadt Neckarsulm werden in einen Maßnahmenkatalog übersichtlich zusammengeführt. Parallel werden gesamtstädtische und miteinander vernetzte Konzeptpläne erstellt, welche z.B. konkret für Neckarsulm aufzeigen, welche Entlastungsflächen besonders wichtig in der Stadt sind und wie diese künftig miteinander verbunden werden sollen, um der Bevölkerung ein umfassendes Entlastungssystem an heißen Sommertagen bieten zu können. Abschließend wird zur Realisierung und Verstetigung des Konzeptes eine Umsetzungsstrategie erarbeitet.

Über die einzelnen Schritte und deren Ergebnisse informieren wir Sie hier gerne fortlaufend und parallel zur weiteren Bearbeitung des Projekts „Klimafolgenanpassungskonzept Neckarsulm“.

Aktuelles

Ergebnis Stufe 1 - Klima- und Vulnerabilitätsanaylse

Abbildung: Thermische Hotspots am Tag (Darstellung: berchtoldkrass space&options, Datenquelle: iMA)
Abbildung: Thermische Hotspots in der Nacht (Darstellung: berchtoldkrass space&options, Datenquelle: iMA)

Die „thermischen Hotspots“ machen es deutlich: In Neckarsulm sind vor allem die Altstadt, die Gewerbegebiete am südlichen Stadtrand und das Produktionsareal Audi von einer starken Überhitzung gekennzeichnet. Die Hitzebelastung am Tag ist aber auch in einigen dicht besiedelten Wohngebieten sehr hoch. Ursache ist der relativ hohe Anteil versiegelter Flächen, die sich, der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt, intensiv aufheizen. Nachts kühlen wiederum Kaltluftwinde die Ortsränder gut aus, während im dicht bebauten Stadtzentrum, den Gewerbegebieten und manchen Wohngebieten Hitzeinseln bestehen bleiben.

Abbildung: Hotspots und Schutzräume Wohnumfeld am Tag und in der Nacht (Darstellung: berchtoldkrass space&options, Datenquelle: iMA)

Die „Hotspots Wohnumfeld“ stellen hitzebelastete Bereiche mit einer besonders hohen Bevölkerungsdichte dar. Hier leben im Neckarsulmer Kontext überdurchschnittlich viele Menschen, die gleichzeitig von hohen Temperaturen betroffen sind. Als „Schutzraum Wohnumfeld“ werden wiederum diejenigen Räume bezeichnet, in denen eine hohe Bevölkerungsdichte vorliegt, die klimatische Situation jedoch aufgrund z.B. ausreichend durchgrünter Stadtstrukturen aktuell noch intakt ist. Hier ist es besonders wichtig, die bestehenden Grünstrukturen zu erhalten und eine Verschlechterung der Situation bei fortschreitendem Klimawandel zu verhindern.
 
Hitzebelastete Bereiche, an denen sich tagsüber viele Menschen aufhalten – sei es am Arbeitsplatz, in der Schule oder etwa bei Besorgungen in der Innenstadt – fallen unter die Kategorie „Hotspots Aufenthalt am Tag“. Von großer Bedeutung sind hier der Schutz und die Herstellung schattiger Orte mit Aufenthaltsqualität, etwa Parks und Grünanlagen, in denen Abkühlung und Entlastung gefunden werden kann.

Stadtklimaspaziergang

Besonders deutlich konnten die thermischen Auswirkungen der Klimakrise im Rahmen des Stadtklimasparziergangs in Neckarsulm nachempfunden werden. Bei Sonne und Temperaturen von über 25°C startete der Rundgang am 11.09.2023 durch Neckarsulm am Marktplatz. Bereits bevor es los ging, konnten die teilnehmenden Bürger:innen auf einem Luftbild heiße und kühle Orte in Neckarsulm markieren.

Abbildung: Ergebnisse der Befragung: „Wo kennen Sie heiße/kühle Orte?“ (Foto: berchtoldkrass space&options)

Nach einer kurzen Einleitung und Vorstellung wurden verschiedene Orte innerhalb der Kernstadt Neckarsulms in einem gemeinsamen Spaziergang erkundet. Neben dem aktiven „erfühlen“ der Hitze konnten auch Temperaturkarten während des Sparzierganges Aufschluss über die Bereiche, die von Hitze bereits besonders betroffen sind, geben.
 
Die einzelnen Stationen dienten als Ausgangspunkt, um über die bestehende Situation und mögliche städtebauliche Anpassungen an eine zukünftig steigende Hitzebelastung zu diskutieren. Altstadträume, Parkplatzflächen oder Gewerbegebiete weisen zum Beispiel oft einen hohen Versiegelungsgrad auf, welcher negative Auswirkungen auf das Stadtklima hat. Am Ufer der Sulm wurde dahingegen die Zugänglichkeit von Fließgewässern und deren Relevanz als kühle Entlastungsräume bei Hitze thematisiert. Der Sparziergang endete schließlich am Lerchenplatz. Hier wurde auf das Potential öffentlicher Plätze in Wohngebieten als Entlastungsräume hingewiesen und Maßnahmen einer klimawirksamen Qualifizierung des Platzes, wie z.B. die Erhöhung des Baumbestandes oder das Vorsehen von Sitzgelegenheiten, überlegt.
 
Die Diskussionen, Anregungen und Anmerkungen der Bürger:innen während des Stadtklimasparziergangs werden bei der weiteren Ausarbeitung des Klimafolgenanpassungskonzeptes berücksichtigt werden.
 

Abbildung: Stadtklimasparziergang Neckarsulm (Foto: berchtoldkrass space&options)

Ergebnis Stufe 2 – Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung

Welche nächsten Schritte können also eingeleitet werden, um sich den Herausforderungen der Klimakrise bzw. den Gefahren extremer Hitze für Mensch und Natur auf städtischer Ebene stellen zu können? Um diese Frage zu beantworten, wurde ein ortsspezifischer Maßnahmenkatalog erarbeitet. Ziel der Maßnahmen ist es, trotz der zukünftig steigenden Temperaturen, die Lebensqualität in Neckarsulm zu erhalten und zu verbessern. Der Maßnahmenkatalog ist in vier Handlungsfelder unterteilt:
 
Handlungsfeld Grün- und Freiraumstruktur
Neckarsulm realisiert Grün- und Freiräume resilient und klimawirksam.
 
Handlungsfeld Siedlungs- und Gebäudestruktur
Neckarsulm entwickelt Gebäude- und Siedlungsstruktur klimaoptimiert weiter.
 
Handlungsfeld Mobilitäts- und Aufenthaltsräume
Neckarsulm schafft hitzesensible Mobilitäts- und Aufenthaltsräume
 
Handlungsfeld gesellschaftliches Engagement
Neckarsulms Bewohner*innen engagieren sich für eine hitzeangepasste Stadt

Abbildung: Übersicht der Handlungsfelder „Grün- und Freiraumstruktur“ sowie „Siedlungs- und Gebäudestruktur“ des Klimafolgenanpassungskonzept für Neckarsulm (Darstellung: berchtoldkrass space&options)
Abbildung: Übersicht der Handlungsfelder „Mobilitäts- und Aufenthaltsräume“ sowie „Gesellschaftliches Engagement“ des Klimafolgenanpassungskonzept für Neckarsulm (Darstellung: berchtoldkrass space&options)

Insgesamt umfasst der Katalog elf strategische und 31 lokale Maßnahmen.
Die strategischen Maßnahmen wirken vor allem auf gesamtstädtischer Ebene. Sie dienen als Leitlinien für zukünftige Entwicklungen und vermitteln wünschenswerte Zielbilder. Ihre Umsetzung erfordert zudem die Zusammenarbeit vieler städtischer und privater Akteur*innen über einen längeren Zeitraum.
 
Die lokalen Maßnahmen beinhalten konkreter formulierte Vorschläge und können in spezifische Projekte und laufende Vorhaben integriert werden. Sie zeichnen sich durch einen starken Einfluss auf lokaler Ebene bzw. in ihrem direkten Umfeld aus. Einige Maßnahmen hat die Stadt Neckarsulm bereits an verschiedenen Stellen im Siedlungsgebiet umgesetzt, wie z.B. die Anlage hitzebeständiger Vegetation in Beeten oder die Entsiegelung und Begrünung von Parkplätzen. Aber nicht nur die Stadtverwaltung kann und soll aktiv werden. Lokale Maßnahmen eignen sich ebenfalls gut, um im Einzelnen, von Bürger*innen, Wohnungseigentümer*innen und Gewerbetreibenden ausgeführt zu werden.