Gemeinderat beschließt Maßnahmenpaket mit 28 Sparmaßnahmen quer durch alle Verwaltungsbereiche
In der aktuellen Gasversorgungskrise nimmt die Stadt Neckarsulm ihre Vorbildfunktion wahr und geht beim Energiesparen mit gutem Beispiel voran. In einer öffentlichen Sondersitzung hat der Gemeinderat einen Maßnahmenkatalog beschlossen, um Gas und Strom einzusparen. Das Sparpaket umfasst insgesamt 28 Maßnahmen und betrifft alle Verwaltungsbereiche: von den städtischen Bädern und Liegenschaften über die Straßenbeleuchtung und Ampelanlagen bis hin zu Aktionen des Stadtmarketings. Ob AQUAtoll Erlebnisbad oder Weihnachtsbeleuchtung, Duschen oder Handwaschbecken, Raumtemperatur oder Außenbeleuchtung – die Stadt hat jeden Bereich unter die Lupe genommen und auf Einsparpotenziale überprüft. Ein Teil der Sparmaßnahmen greift sofort. Weitere Maßnahmen werden mit Beginn der Heizperiode umgesetzt.
Zu Beginn der Sondersitzung begründete Oberbürgermeister Steffen Hertwig den dringenden Handlungsbedarf: „Angesichts der Abhängigkeit der Bundesrepublik vom russischen Gas müssen wir uns jetzt Gedanken machen, wie wir einer bevorstehenden Energiekrise begegnen können.“ Weil Russland aktuell nur noch 20 Prozent der vereinbarten Gasmenge liefert, können die Gasspeicher für den Winter nicht voll gefüllt werden. Daher kommt es jetzt darauf an, so viel Gas und Strom wie möglich einzusparen. Darauf zielen die beschlossenen Sofortmaßnahmen ab. „Jede jetzt eingesparte Kilowattstunde leistet einen Beitrag zu Energiesicherheit und Energieunabhängigkeit“, bekräftigte Steffen Hertwig. Die Maßnahmen, die zu Beginn der Heizperiode wirksam werden, sorgen dafür, dass sich die Gasspeicher langsamer leeren.
OB Steffen Hertwig: „Auch die Bürger sind zum Energiesparen aufgerufen“
„Beim Energieeinsparen nehmen die Kommunen als große Verbraucher eine wichtige Vorbildrolle ein“, erklärte der Oberbürgermeister. „Das kann im Ergebnis auch zu gewissen Komforteinschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger führen.“ Gleichzeitig rief er auch die Bürger zum Energiesparen auf: „Alle Bürger sind aufgerufen, selbst Verantwortung zu übernehmen und einen persönlichen Beitrag zur Energiesicherheit zu leisten.“
Die Stadt nimmt jetzt ihre Vorbildrolle im Rahmen des kommunalen Klimaschutzkonzeptes wahr und setzt ein ganzes Bündel an Einsparmaßnahmen um. Dabei orientiert sich die Stadt am vorläufigen Maßnahmenkatalog des Deutschen Städtetages und am Fünf-Punkte-Plan der Landesregierung. Sollte sich die Gasmangellage weiter zuspitzen, wird der städtische Maßnahmenkatalog fortgeschrieben.
Mit den Energieleitlinien verfügt die Stadt bereits über ein Instrument, den Wärme- und Stromverbrauch zu senken. Die Energieleitlinien legen unter anderem bestimmte Maximalwerte bei Wasser- und Raumtemperaturen fest. Diese Leitlinien werden jetzt konsequent umgesetzt.
Gas- und Stromverbrauch soll dauerhaft gesenkt werden
Das Maßnahmenpaket erstreckt sich auf acht Handlungsfelder und zielt darauf ab, sowohl den Stromverbrauch zu senken als auch weniger Gas als Wärmeträger zu verbrauchen. Einzelne Maßnahmen erzielen ein nur vergleichsweise geringes Einsparpotenzial. In der Summe tragen die Maßnahmen aber dazu bei, den städtischen Gas- und Stromverbrauch erheblich und dauerhaft zu senken.
Das größte Einsparpotenzial entfällt auf das AQUAtoll Erlebnisbad, das in den technischen Ruhezustand versetzt wurde. Die Regeltechnik wurde auf ein Mindestmaß reduziert und läuft nur noch mit 25 Prozent der ursprünglichen Leistung. Jetzt wird die Anlage komplett heruntergefahren. Wassertechnik, Lüftung und Warmwasserbereitung werden sofort abgeschaltet. Dadurch spart die Stadt rund 5,35 Millionen Kilowattstunden Energie pro Jahr ein. Allerdings besteht die Gefahr, dass es zu Schäden an der Bausubstanz oder Problemen beim Wiederhochfahren kommen könnte.
Im AQUAtoll Sportbad wird die Raumtemperatur um zwei auf 28 Grad abgesenkt. Die Wassertemperatur ist mit 26 Grad bereits niedrig und bleibt unverändert.
Das Ernst-Freyer-Bad wird in der restlichen Freibadsaison als Kaltbad betrieben. Die Gasheizung wird abgeschaltet. Das heißt, warmes Wasser gibt es nur, solange die Sonne kräftig scheint. Das Beckenwasser wird mit Solarthermie beheizt. Bei sinkenden Außentemperaturen kann das Beckenwasser nicht mehr richtig erwärmt werden. Auch beim morgendlichen Frühschwimmen sind die Wassertemperaturen niedriger. Die Duschen am Beckenrand bleiben kalt. Die Duschen im Gebäudetrakt verfügen über eine separat regelbare Wärmetechnik. Dort wird die Wassertemperatur auf ein verträgliches Maß reduziert.
Im Lehrschwimmbecken Amorbach wird die Wasser- und Raumtemperatur nach den Vorgaben der Energieleitlinien abgesenkt, und zwar auf 26 Grad Wassertemperatur (aktuell 30 Grad) und 28 Grad Raumtemperatur (aktuell 33 Grad).
Raumtemperaturen zu senken, ist ein wirksames Mittel, um Energie zu sparen. So werden gemäß den Energieleitlinien die Raumtemperaturen in städtischen Gebäuden abgesenkt. Dies betrifft die Kitas (Aufenthaltsräume 20 Grad, Ruhe- und Schlafräume 18 Grad, sofern rechtlich möglich), die Schulen (Unterrichtsräume 20 Grad, Werkräume 17 Grad), die Sport- und Turnhallen sowie die Verwaltungsgebäude. Die Raumtemperaturen werden auch in folgenden Kultureinrichtungen gesenkt: Kultursaal und Foyer der Ballei, städtische Museen, Mediathek, Festhallen in den Stadtteilen.
In den städtischen Liegenschaften wird künftig grundsätzlich erst vom 1. Oktober an geheizt. Ausgenommen sind die Kindertagesstätten. Ein vorgezogener Beginn der Heizperiode ist damit ausgeschlossen. Vor Beginn der Heizperiode werden die Heizungen in sämtlichen städtischen Liegenschaften gewartet und eingestellt.
Die Stadt regelt künftig auch die Wassertemperaturen gemäß den Energieleitlinien. Die Waschbecken in bestimmten Liegenschaften werden nur noch mit kaltem Wasser betrieben. Die Warmwasserbereitung wird abgeschaltet. Dies betrifft die städtischen Kultureinrichtungen und Schulen. Die Schulmensen sind von dieser Maßnahme ausgenommen.
Auch in den Sport- und Turnhallen gibt es nur noch kaltes Wasser für die Waschbecken und Duschen. Das gleiche gilt für die fünf städtischen Umkleidekabinen an den Sportplätzen (Vereinsheim Amorbach, Sportheim und Duschcontainer Pichterich, Duschcontainer Rossmarkt, Kleintierzuchtverein). Die Stadt wird an ihre Vereinspächter appellieren, diese Regelung auch in deren Sport- und Vereinseinrichtungen zu übernehmen.
Um Energie und Wasser zu sparen, werden alle städtischen Brunnen abgeschaltet. Nur die künstlichen Bachläufe an der Ballei, in der Angelstraße Obereisesheim und der Vorwärts-Aufwärts-Brunnen in Amorbach bleiben jeweils bis zum Ende der Sommerferien in Betrieb.
Die Außenbeleuchtung wird auf ein Mindestmaß reduziert. Öffentliche und historische Gebäude wie das Deutschordensschloss und die Stadtpfarrkirche St. Dionysius werden nach Sonnenuntergang nicht mehr angestrahlt.
Die Veranstaltung „Shopping Lights“ in der Innenstadt findet ohne Leuchtelemente und Lichtsäulen beziehungsweise in einem alternativen Format statt. Die Stadt wird das Alternativformat gemeinsam mit den Gewerbetreibenden festlegen.
Viel Strom lässt sich auch bei der Beleuchtung von Straßen, Wegen und öffentlichen Plätzen einsparen. Auf diesen Bereich entfällt im Schnitt mehr als ein Drittel des kommunalen Energieverbrauchs. Daher wird die Straßenbeleuchtung in der Zeit von 1 bis 5 Uhr abgeschaltet. Dieser Zeitraum berücksichtigt die Spät- und Früharbeitsschichten im produzierenden Gewerbe.
Weil es technisch nicht möglich ist, einzelne Straßenzüge vom Netz zu nehmen, wird die gesamte Straßenbeleuchtung abgeschaltet. Hierzu muss die Stadt etwa 5000 Laternenmasten mit einer rot-weißen Banderole (Laternenring) kennzeichnen. Dieses Verkehrszeichen weist darauf hin, dass die betreffende Laterne nicht die ganze Nacht leuchtet. An solchen Punkten sind Verkehrsteilnehmer verpflichtet, selbst für Beleuchtung zu sorgen. Sie müssen an ihrem Fahrzeug das Stand- oder Parklicht einschalten.
In der Nachtzeit abgeschaltet werden auch zwölf Lichtsignalanlagen, zumeist Fußgängerampeln an nicht klassifizierten Straßen (Gemeindestraßen). An den ausgewählten Straßen können die Ampeln in der Zeit von 23 bis 5 Uhr abgeschaltet werden, ohne dass die Verkehrssicherheit beeinträchtig wird. Ob Ampeln auch an klassifizierten Straßen (Kreis- und Landesstraßen) abgestellt werden können, wird die Stadt noch mit den jeweiligen Baulastträgern abstimmen.
Um Energie zu sparen, werden außerdem das Rathaus und die Verwaltungsstellen in den Stadteilen an Brückentagen und über den Jahreswechsel geschlossen. Das gilt nur für die Verwaltungsgebäude, nicht für die Kultureinrichtungen.
Die städtischen Beschäftigten sollen wieder verstärkt die Möglichkeit nutzen, im Homeoffice zu arbeiten. Auch so kann die Heizungslast in öffentlichen Gebäuden verringert werden. Büroräume sollen nach Möglichkeit mehrfach belegt werden. Dies hängt jedoch davon ab, wie sich die Corona-Pandemie weiter entwickelt.
Eine höhere Homeoffice-Quote verlagert den Energieverbrauch zwar in den privaten Raum. Nach dem Notfallplan Gas der Bundesregierung sind Privathaushalte von der Gasmangellage aber weniger betroffen als etwa Kommunen. Daher ist es eher weniger wahrscheinlich, dass die Bürger in ungeheizten Wohnungen frieren müssen und womöglich gezwungen sind, öffentliche Wärmehallen oder Wärmestuben aufzusuchen. Gleichwohl bereitet sich die Stadt auch auf dieses Szenario vor. Geprüft wird jetzt, welche städtischen Liegenschaften grundsätzlich als zentrale Orte zum Aufwärmen geeignet wären.
Um schließlich auch die Einwohnerinnen und Einwohner sowie die örtlichen Vereine für das Energiesparen zu sensibilisieren, wird die Stadt der Bevölkerung Tipps geben, wie man den Gas- und Stromverbrauch in den eigenen vier Wänden senken kann. Entsprechende Energiespartipps werden im „Neckarsulm Journal“ veröffentlicht.
Der komplette, vom Gemeinderat beschlossene Maßnahmenkatalog kann auf der städtischen Homepage unter www.neckarsulm.de nachgelesen werden. (snp)