OB Steffen Hertwig: „Die große Tunnellösung ist die einzig mögliche Variante“
Der vierspurige Ausbau der B 27 zwischen der Autobahn-Anschlussstelle Heilbronn/Neckarsulm und dem Amorbachknoten eröffnet aus Sicht der Stadtverwaltung Neckarsulm die historisch einmalige Chance, die Stadt nachhaltig vom Durchgangsverkehr zu entlasten und auch städtebaulich zu reparieren. Voraussetzung ist, dass die Bundesstraße in einem großen Tunnel unter dem Hungerberg ausgebaut wird. Die Ausbauvariante „Trassenferner Tunnel mit zwei Röhren“ ist eine von acht Varianten, die das Regierungspräsidium Stuttgart im Rahmen einer Machbarkeitsstudie untersucht und für die Vorplanung ausgewählt hat. Für Oberbürgermeister Steffen Hertwig ist die große Tunnellösung die einzig mögliche Variante: „Der trassenferne, vierstreifige Tunnel hat aus unserer Sicht das größte Potential. Wir wollen die beste Lösung für Neckarsulm erzielen. Daher müssen wir alles tun, dass es am Ende zu dieser Lösung kommt. Die anderen Varianten kann ich nicht akzeptieren.“
Die Planung für den vierspurigen Ausbau der B 27 befindet sich noch in einer sehr frühen Phase. Das Regierungspräsidium hat in der Machbarkeitsstudie elf Ausbauvarianten untersucht, um nachzuweisen, ob die einzelnen Varianten technisch machbar sind und welchen Aufwand sie verursachen. Auf dieser Grundlage werden die Varianten ausgewählt, die im Rahmen der Vorplanung weiter untersucht werden sollen. Vertreter des Regierungspräsidiums stellten die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie jetzt in der Gemeinderatssitzung öffentlich vor.
Elf Ausbauvarianten in drei Gruppen
Die untersuchten Varianten untergliedern sich in drei Variantengruppen: Der „Ausbau im Bestand“ (Gruppe A) sieht den Ausbau der B 27 in bestehender Lage und Höhe vor. In der Gruppe „Trassenferner Tunnel“ (Gruppe B) wurden verschiedene Tunnelvarianten mit ein bis zwei Röhren untersucht. Dazu gehört auch die von der Stadtverwaltung favorisierte Variante „Trassenferner Tunnel mit zwei Röhren“ (B 1). Bei den Tunnelvarianten mit einer Röhre bleibt die Bestandstrasse erhalten und wickelt weiterhin einen Teil des Verkehrs ab.
Die dritte Variantengruppe „Tunnel in Ortslage“ (Gruppe C) befasst sich mit verschiedenen Tunnellösungen, die in unterschiedlichen Längen auf der bestehenden Trassenachse verlaufen. In dieser Gruppe wurde auch die Tunnellösung in Troglage (C 2) untersucht, die von der Bürgerinitiative im Rahmen des Fachdialogs zum B 27-Anschluss „Binswanger Straße“ vorgeschlagen wurde. Bei drei der fünf C-Varianten entfällt der Halbanschluss „Neuenstädter Straße/Spitalstraße“.
Hungerbergtunnel nimmt Durchgangsverkehr vollständig auf
Bei der favorisierten großen Tunnellösung schwenkt die Trassenführung im Bereich der Sulmbrücke in östliche Richtung ab und verläuft in einer rund ein Kilometer langen Tunnellage unterhalb des Hungerbergs. Diese Variante sieht eine getrennte Röhre je Fahrbahn vor, so dass der Durchgangsverkehr vollständig in den Tunnel verlagert wird. Im Norden mündet die Trasse in den Amorbachknoten und bindet wieder an die B 27 in Richtung Bad Friedrichshall an. Die Ausbaustreckenlänge beträgt rund 2,6 Kilometer. Die reinen Investitionskosten (ohne Grunderwerb und Folgekosten) werden mit rund 189,4 Millionen Euro veranschlagt.
Vorteile der großen Tunnellösung
Aus Sicht der Stadtverwaltung bietet die große Tunnellösung entscheidende Vorteile:
- Die Stadt wird komplett vom Durchgangsverkehr entlastet. Bürger und Anwohner entlang der B 27 werden von Lärm und Abgasen befreit.
- Die große Tunnellösung bietet die Chance, die Luftsituation deutlich zu verbessern. Auch wenn in Zukunft mehr Elektrofahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind, wird es Feinstaubbelastungen durch Lkw-Verkehre und Reifenabrieb geben. Diese Belastungen für die Anwohner können deutlich verringert werden, wenn der Durchgangsverkehr vollständig in den Tunnel verlegt wird.
- Der Ausbau unter fließendem Verkehr lässt sich auf der trassenfernen Lösung technisch am besten realisieren.
- Diese Variante greift am wenigsten in den Gebäudebestand Laut Machbarkeitsstudie müssten für diese Lösung acht Gebäude, darunter Nebengebäude wie Garagen abgebrochen werden. Wohngebäude sind nicht betroffen. Zum Vergleich: Bei der Tunnellösung in Troglage (C 2) müssten 45 Gebäude abgerissen werden, darunter hauptsächlich Wohngebäude.
- Der Halbanschluss „Neuenstädter Straße/Spitalstraße“ bleibt erhalten.
- Die B 27 im bestehenden Trassenverlauf kann zur Gemeindestraße zurückgebaut werden.
Stadtheilung und Stadtreparatur: Große Tunnellösung eröffnet neue Gestaltungsmöglichkeiten
„Mit dieser Lösung eröffnet sich eine Riesenchance für die Stadtentwicklung“, bekräftigte Steffen Hertwig. „Wir können die Trennwirkung der Bundesstraße mindern. Die Wohngebiete Viktorshöhe und Neuberg können wieder zusammenwachsen. Die B 27 kann zu einer reinen Gemeindestraße werden, und wir können die vom Verkehr geplagten Bereiche auch städtebaulich reparieren. Stadtreparatur – das ist die große Chance, stadtheilend zu wirken.“
Diese Lösung eröffne neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Stadt, verdeutlichte Steffen Hertwig. „Die derzeitigen vier Fahrspuren könnten auf zwei reduziert werden. Dadurch kann der Straßenraum neu geordnet werden. Es entsteht Platz für Fußgänger und Radfahrer und für mehr innerstädtisches Grün.“ Die umgestaltete Straße wäre dann zwar immer noch stark frequentiert. „Dies wäre aber in keiner Weise mit der heutigen Situation vergleichbar“, so Steffen Hertwig.
Den Ausbau der B 27 ganz abzulehnen und den Status Quo beizubehalten, ist nach Überzeugung von Steffen Hertwig keine Option. „Es ist zwar richtig: Zusätzliche Straßen erzeugen mehr Verkehr. Wenn ich aber die Entwicklung unseres Wirtschaftsraumes betrachte, bin ich davon überzeugt, dass wir mit einer noch weiteren wesentlichen Zunahme an Verkehren rechnen müssen.“ Zusätzliche Verkehre verursachten zum Beispiel der Projekt Campus in Bad Friedrichshall und der KI-Campus in Heilbronn mit weiteren rund 10.000 Mitarbeitern sowie der kräftige Zuwachs an neuen Wohngebieten in den umliegenden Kommunen.
Bürgermeisterin Dr. Mösel: „Status Quo zementiert die Stadtteilung“
Auch Bürgermeisterin Dr. Suzanne Mösel warnte vor dem Beibehalten des Status Quo: „Massiver Lärmschutz mit sechs Meter hohen Wänden entlang der B 27 wären die Folge. Damit wäre die Stadtteilung für immer zementiert.“ Auch die Verkehrsprobleme wären ohne den Ausbau nicht gelöst: „Mit rund 40.000 Fahrzeugen pro Tag ist die Leistungsgrenze der B 27 schon heute deutlich überschritten. Und die großen Arbeitsplatzstandorte wachsen weiter dezentral. Prognosen rechnen bis 2030 mit einer Verkehrsbelastung von 60.000 Fahrzeugen pro Tag. Die überörtlichen Verkehre nehmen zu und durchqueren größtenteils unser Stadtgebiet. Angesichts dieser Entwicklung wird die große Tunnellösung in Neckarsulm auch zu einer Chance für die gesamte Raumschaft.“
Umbau des Amorbachknotens wird mit untersucht
Wie sich die Verkehre bei den einzelnen Ausbauvarianten verteilen und welche Variante die beste Entlastungswirkung erzielt, wird im nächsten Planungsschritt, der Vorplanung in einer Verkehrsuntersuchung analysiert. Dann wird auch der Umbau des Amorbachknotens mit untersucht. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurde der Amorbachknoten zunächst nicht mitberücksichtigt, weil der Bund ursprünglich engere Planungsgrenzen gesetzt hat. Aus diesem Grund lässt die große Tunnellösung nach jetzigem Planungsstand bestimmte Verkehrsbeziehungen nicht mehr zu.
„Die maximale Entlastungswirkung durch die große Tunnellösung ist nur möglich, wenn der Amorbachknoten leistungsmäßig ausgebaut wird“, bestätigte Bürgermeisterin Dr. Mösel. Der Bund und das Regierungspräsidium haben zwischenzeitlich verbindlich festgelegt, dass der Amorbachknoten doch in vollem Umfang in die Planung mitaufgenommen und umgeplant wird, sofern dies erforderlich ist. „Auch damit geht ein lang gehegter Wunsch der Stadt in Erfüllung“, stellte Dr. Suzanne Mösel fest.
B 27-Ausbau ist Maßnahme des Bundes und wird vom RP geplant / Öffentlichkeit wird beteiligt
Die B 27 wird im Abschnitt zwischen der Autobahn-Anschlussstelle Heilbronn/Neckarsulm und dem Verkehrsknoten Amorbach (Knoten L 1095/K 2116) auf vier Fahrstreifen ausgebaut. Der B 27-Ausbau ist eine Maßnahme des Bundes und wird vom Regierungspräsidium Stuttgart geplant. Ziel dieser Maßnahme ist es, Kapazitätsengpässe abzubauen und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Dementsprechend wurde der Ausbau im Bedarfsplan 2016 des Bundes zum Fernstraßen-Ausbaugesetz als Maßnahme des vordringlichen Bedarfs eingestuft. Der Bund hat damit das Land gesetzlich beauftragt, den Ausbau bis zum Jahr 2034 umzusetzen oder bis dahin mit der Maßnahme zu beginnen. Der Einstieg in die Planung gilt als Baubeginn.
Die jetzt vorgelegte Machbarkeitsstudie dient dazu, die Varianten für die Vorplanung auszuwählen. Eine Vorzugsvariante wird erst festgelegt, wenn die Vorplanung abgeschlossen ist. Mit einer Variantenentscheidung wird frühestens in drei Jahren gerechnet. Im Rahmen einer Online-Beteiligung bietet das Regierungspräsidium Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, Fragen zum vierspurigen Ausbau der B 27 zu stellen. Informationen zur Online-Beteiligung finden Interessierte auf der Homepage des Regierungspräsidiums Stuttgart unter: https://rp.baden-wuerttemberg.de/rps/abt4/ref44/b-27-as-neckarsulm-b-27/l-1095/. (snp)